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Nostalgie für eine Zukunft – Über das polychrone Konzept des Zeitgenössischen

Donnerstag, 4. April 2019, 21:00 Uhr

Vortrag
Veranstaltung vor Ort
Eintritt frei, Auf deutscher Sprache

Vortrag von Nina Möntmann (Professorin für Kunsttheorie, Universität zu Köln, Kuratorin und Autorin)

Das Zeitgenössische ist zu einem zentralen Konzept im kulturellen Feld geworden. Es steht im Verhältnis zu der Komplexität einer globalisierten Zeitlichkeit, in der verschiedene örtliche Realitäten und Entwicklungen in derselben historischen Gegenwart stattfinden. In der Kunst werden die Bedingungen dieser globalisierten Zeitlichkeit thematisiert und befragt. Die Strategie der Aktualisierung nimmt hier eine zentrale Funktion ein. Sie begreift historische Versatzstücke als nicht abgeschlossene Prozesse und versieht sie mit dem Entwurf einer Zukünftigkeit, die es auszugestalten gilt.


Auch Museen aktueller Kunst werden – vermehrt seit den frühen 1990er Jahren – nicht mehr Museen moderner Kunst benannt, sondern Museen zeitgenössischer Kunst, was eine zukunftsgerichtete Aktualität implizieren soll. Der Begriff „modern“ scheint nicht mehr zu greifen, wenn auf das Jetzt, auf Aktualität hingewiesen werden soll. Die Moderne wird nunmehr als Bezeichnung für eine Epoche verstanden, die für eine vertikale, zielgerichtete Bewegung des Fortschritts steht, für Erneuerung, für die Ablösung von der Geschichte, für Avantgarde und Abstraktion. Das Zeitgenössische hingegen ist undefiniert, offen, es gibt kein Master-Narrativ, auf das sich alle einigen können. Dabei umfasst zeitgenössische Kunst alle Medien und Ausrichtungen. Es gibt keine bestimmten Kunststile mehr, die Abgrenzungen verschwimmen.


Dieser Prozess wirft viele Fragen auf: Wie periodisieren wir Gegenwart? Lässt sich die Unterscheidung zwischen Moderne und Gegenwart in einem globalen Kontext überhaupt aufrechterhalten? Und, mit Blick auf die Ausstellungspraxis: Wie wird eine veränderte Beziehung zur Geschichte und ein Bewusstsein für neue Geografien in der Kunst in kuratorischen Ansätzen umgesetzt? Und wie kann dies zu einer Idee von Zukünftigkeit führen? Diese Fragen werfen ein neues Licht darauf, wie Kunst präsentiert, kontextualisiert und vermittelt wird, sowie auf die bedeutende Rolle und Verantwortlichkeit von Ausstellungen in der Konfiguration des zeitgenössischen Moments.


Nina Möntmann ist Kunsthistorikerin, Professorin für Kunsttheorie an der Universität zu Köln, Kuratorin und Autorin. Von 2007–2017 war sie Professorin am Royal Institute of Art in Stockholm sowie von 2003–2006 Kuratorin am Nordic Institute for Contemporary Art in Helsinki. Ausgewählte Ausstellungen: Måns Wrange: Magic Bureaucracy, Tensta Konsthall, Stockholm, 2017; Fluidity, Kunstverein in Hamburg, 2016 (mit Bettina Steinbrügge und Vanessa Joan Müller); Harun Farocki: Ein neues Produkt, Deichtorhallen Hamburg, 2012; The Jerusalem Show: Jerusalem Syndrome, 2009; Pavillion der Republik Armenien, Venedig-Biennale, 2007. Sie organisierte zahlreiche Symposien, darunter Curating NoThing. Notions of Dematerialization in the Exhibition Context, The Royal Institute of Art, Stockholm, 2017; Beyond Cynicism: Political Forms of Opposition, Protest and Provocation in Art, 2012, und New Communities, 2008, beide am Moderna Museet in Stockholm; We, Ourselves, and Us, The Power Plant, Toronto, 2009. Publikationen u. a.: Kunst als Sozialer Raum (Verlag der Buchhandlung Walther König, 2002/2017), Agencies of Art (OK books, 2018, zusammen mit Jonatan Habib Engqvist) sowie als Herausgeberin: Schöne neue Arbeit / Brave New Work. Ein Reader zu Harun Farockis Film ‚Ein neues Produkt’ (Verlag der Buchhandlung Walther König, 2014); Scandalous. A Reader on Art & Ethics (Sternberg Press, 2013) und Art and Its Institutions (Black Dog Publishing, 2006).

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